Liebe Tine,
leider fehlen mir momentan Zeit und Kraft, um regelmäßiger und öfter hier zu sein. Deshalb habe ich erst heute Deinen Beitrag entdeckt. Auch von mir ein herzliches, trauriges Willkommen. Das Meiste, was ich Dir sagen möchte, ist inzwischen gesagt, und meinen ausführlichen Beitrag zu unserer Geschichte mit Amina hast Du ja auch bereits gelesen. Es freut mich, wenn ich Dir damit etwas die Angst vor einem Leben mit dem Syndrom nehmen konnte.
Es geht mir sehr nahe, was Ihr derzeit durchmachen müßt, denn es war ja auch für unser Kind der prophezeite Verlauf, dass sie die Schwangerschaft mit diesen ausgeprägten Befunden nicht überleben wird. Auch mir war der Gedanke an die vorhergesagte späte Fehlgeburt unerträglich, zumal meine Schwangerschaften wegen einer Vorerkrankung alles andere als schön und unkompliziert sind und ab einer gewissen Größe des Kindes mit einer Schnittentbindung enden... Deshalb hatte ich dann auch schon einen Termin zum Abbruch - und brachte es dann, auch in Anbetracht des Fehlens weiterer schlechter Prognosezeichen und des kleinen Funkens Hoffnung doch nicht fertig... Ich hadere auch noch immer mit der Kaltschnäuzigkeit des Arztes, der uns über die Diagnose aufklärte und so (selbst)sicher die Prognose abgab, was bei uns gleichbedeutend ankam, als würde er Ihr nicht nur die Chance auf ein normales Leben, sondern vor allem ihr Lebensrecht absprechen. (Zitat: "Glücklicherweise ziehen die meisten Eltern bereits aus der Chromosomendiagnose die richtigen Schlüsse...") Mittlerweile sagte mir aber auch eine andere, sehr gute und einfühlsame Diagnostikerin, dass es mit einer Nackenfalte von ca. 1cm tatsächlich ein Wunder sei, dass es Amina so gut ins Leben geschafft hat. Sie selbst habe es in ihrer Praxis, obwohl sie gerade bei der Diagnose Turner immer positiv berate, noch nie gesehen.
Am schlimmsten fand ich es damals, den Widerspruch auszuhalten zu müssen zwischen dem Wissen einerseits, dass ein Turner-Mädchen, das es schafft, eine sehr gute Prognose und eine Aussicht auf ein fast normales Leben mit kleinen Einschränkungen hat und andererseits die Tatsache, dass es eben nur weniger als zwei Prozent sind, die es tatsächlich schaffen...
Amina hatte zum Zeitpunkt der Chorionzottenbiopsie auch "nur" die unglaubliche Nackenfalte von ca. 1cm und ein beginnendes Hautödem im Kopfbereich. Andere schlechte Prognosezeichen, wie Pleuraergüsse oder andere Wassereinlagerungen, eine Wachstumsverzögerung, Herzrhythmusstörungen usw. hatte sie nicht. Ich weiß aber mittlerweile aus anderen Berichten, dass die Symptome in den folgenden Wochen auch noch zunehmen und sich dann, wenn auch leider selten, trotzdem wieder zurückbilden können. wie das bei Amina war, weiß ich nicht, da ich erst mal vier Wochen lang nicht mehr schallen ließ. Zwischen 18. und 20. SSW sollten die Befunde allerdings rückläufig sein.
Würde ich heute nocnmal vor die schreckliche Entscheidung gestellt, abzuwarten, oder die Schwangerschaft sofort zu beenden, ich glaube, ich würde mich für das Warten entscheiden. Es braucht Zeit, sich von dem kleinen Leben und der großen Hoffnung zu verabschieden. Ich glaube, wenn es ein Kind nicht schafft, ist es ein besseres, geborgeneres Sterben, wenn man ihm Ruhe gibt, bis das kleine Herzchen von selber aufhört, zu schlagen. Ich glaube, damit kann man dann auch als Mutter besser Frieden finden. Und heute weiß ich auch, dass sich dieser Prozess über einen gar nicht so langen, unabsehbaren Zeitraum erstreckt, wie mir damals suggeriert wurde.
Es tut mir leid, Dir nicht euphorischer und hoffnungsvoller schreiben zu können. Natürlich wünsche ich Euch von Herzen das wunder, dass Ihr Eure Anna kennenlernen und aufwachsen sehen dürft! Ich bewundere Deinen Mut, Dich auf den Weg mit Anna Marie - ein ganz bezaubernder Name! einzulassen und ich wünsche Dir alle Kraft, die es braucht, gleich wo der Weg hinführt! Gern beantworte ich Dir weitere Fragen!
Liebe Grüße
Cornelia